Welchen Wert hat eigentlich ein Baum?

In Zeiten des Klimawandels wird häufig auf die Bedeutung von Wäldern hingewiesen. Schnell fallen Begriffe wie Kohlendioxidspeicher und Sauerstoffspender. Wenn von Klimaneutralität die Rede ist, wird oft auf Baumpflanzungen verwiesen.

NABU Mitglied Dr. Hans Hansen hat sich intensiv mit Bäumen beschäftigt. Dabei spielte immer wieder ein Aspekt die zentrale Rolle: Welchen Wert hat eigentlich ein Baum? Lässt sich dieser Wert beschreiben, beziffern und bewerten. Seine Gedanken hat Hansen in einem Aufsatz zusammengefasst:

Eiche (Foto: Habusta)
Städtische Eiche (Foto: Habusta - alle Fotos durch Anklicken vergrößerbar)

In vielen Diskussionen über den Nutzen und die Probleme, die Bäume vor allem in einem Stadtgebiet bringen, konnte ich feststellen, dass der Wert von Bäumen als sehr gering angenommen wird. Meistens nehmen Bäume Licht weg, die Blätter und Nadeln stören und machen Arbeit, und gefährlich sind Bäume auch. Nur selten wird der Nutzen, den wir Menschen durch Bäume haben, anerkannt.
Ich habe deshalb einmal zusammengestellt, welchen Wert ein Baum für unsere Zivilgesellschaft in unseren Wohngebieten haben könnte. Dabei habe ich den Baum (oder den Wald) von verschiedenen Seiten betrachtet und bewertet.
Die Sammlung ist längst nicht komplett. Jeder, der diese Zeilen liest, kann seinen persönlichen Wert für einen Baum abschätzen und weitere Betrachtungsweisen heranziehen.

Die natürliche Betrachtung

Ahorn (Foto: Habusta)
Kann groß und mächtig werden: Ahornbaum (Foto: Habusta)

 

 

 

Ein Baum lebt. Er entwickelt sich aus einem Samen zu einem großen, prächtigen Exemplar. Der Baum wird alt und stirbt. Das ist Natur.
Normalerweise stirbt aber ein Baum nicht. Er wird gefällt und lebt dann nicht mehr.
Kein Mensch kann ihn an dieser Stelle gleichwertig ersetzen.
Der Wert ist unschätzbar, und damit sehr beträchtlich.

Die ästhetische Betrachtung

Kastanie (Foto: Habusta)
Blühende Kastanie - im Frühjahr ein toller Anblick (Foto: Habusta)

 

 

 

 

Ein Baum oder ein Wald sind einfach schön. Man fühlt sich wohl unter einem schattigen Baum oder in einem kühlen, duftigen Wald. Man wandert gern in einem Wald und erholt sich.
Bei dieser Betrachtung wird der Wert eines Baumes eher hoch ausfallen.

Die wirtschaftliche Betrachtung

Wirtschaftsgut Holz (Foto: Habusta)
Wirtschaftswald: Holz ist ein gefragter Rohstoff (Foto: Habusta)

 

Ein Baum oder ein Wald werden auf freiem Feld gepflanzt, um das Holz später zu verwerten. Die Forstwirtschaft ist wohl eine nachhaltige Wirtschaft, d.h. es wird im Wald meistens nur so viel Holz geschlagen, wie ökologisch nachwächst. Das wäre vernünftig.
Das geschlagene Holz wird verkauft und erzielt seinen Wert, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt. Der Wert ist also feststellbar.
Der Werte eines Baumes liegt fest in einem gewissen Rahmen.

Die Betrachtung eines Gartenliebhabers, der an seinem Garten Freude hat

Im Garten unter Bäumen (Foto: Habusta)
Läd zum Träumen ein: im Garten unter Bäumen (Foto: Habusta)

 

 

Die Bäume in seinem Garten hat er oft selbst gepflanzt. Er hat sie wachsen sehen über 30 und mehr Jahre. Seine Kinder haben unter dem Baum gespielt. Er hat im Schatten dieses Baumes mit Freunden gefeiert. Dieser Baum ist ihm ans Herz gewachsen.
Der Gartenliebhaber wird den Wert des Baumes sehr hoch einschätzen und wird ihn sicherlich nicht so ohne weiteres fällen oder fällen lassen.

Die Betrachtung eines Nachbarn,  der an den Bäumen seines Nachbarn keine Freude sondern nur Mühe hat

Herbstwald (Foto: Habusta)
Ein Herbstwald ist ein schöner Anblick, das Laub kann jedoch auch ein Ärgernis sein (Foto: Habusta)

 

Er hat keine mentale Beziehung zu dem Baum des Nachbarn. Er ärgert sich über Blätter und Nadeln, die auf sein Grundstück fallen und seine Regenrinne verstopfen.  Überhängende Zweige sind ihm ein Dorn im Auge. Das Wurzelwerk stört ihn.
Der Baum nimmt ihm die Sicht und das Licht weg. Die anliegende Straße muss er in seinem Bereich von Blättern, Früchten, Nadeln und Zapfen frei halten. Er hat Angst davor, dass bei Sturm der Nachbarbaum auf sein Grundstück fällt und Schäden anrichtet.
Der Nachbar hält den Baum für wertlos und verlangt unter Umständen sogar, dass er gefällt wird.

Die Betrachtung eines Umweltschützers, der den Klimawandel auf der Erde begrenzen will

Der größte Gletscher Österreichs, die Pasterze ist vom Klimawandel betroffen (Foto: Habusta)
Vom Klimawandel betroffen: Die Pasterze, der größte Gletscher Österreichs hat in den letzten beiden Jahrhunderten etwa die Hälfte des Eises verloren (Foto: Habusta)

Er weiß, dass Kohlendioxid, das bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Kohle, Erdöl und Erdgas) entsteht, für den Klimawandel hauptsächlich verantwortlich ist.
Im Jahr 2018 betrug weltweit die Menge an klimaschädlichen Gasen (vor allem an Kohlendioxid und Methan), die durch Verbrennung fossiler Energieträger in die Atmosphäre gelangte, fast 50 Milliarden Tonnen (gerechnet als Kohlendioxid).  
In der Weltklimakonferenz von 2015 in Paris wurde als Ziel festgesetzt, dass in diesem Jahrhundert die „Erdklimatemperatur“  im Vergleich zum vorindustriellen Wert, möglichst unterhalb von 1,5°C bleiben soll, maximal aber auf nur 2°C steigen darf. Für Deutschland liegt dieser Wert derzeit schon bei 1°C, in den Polargebieten der Erde schon deutlich darüber.
Die meisten Staaten dieser Welt haben sich dem Pariser Klimaziel angeschlossen. Es fehlen aber sehr wichtige Nationen, wie z.B. China und Indien.
Die „Erdklimatemperatur“  ist eine statistische Größe. Sie ist die über den ganzen Erdglobus gemittelte Temperatur für einen Zeitraum von z.B. 30 Jahren. Steigt die „Erdklimatemperatur“ um  5°C, gibt es langfristig eine „Heiß-Zeit“, fällt sie um minus  5°C, gibt es langfristig eine „Eis-Zeit“.
Für den Umweltschützer ist es höchste Zeit, den Klimawandel zu stoppen. Und das bedeutet, die Verwendung von Kohle, Erdöl und Erdgas muss ab sofort möglichst stark verringert und bis spätestens 2040 beendet werden.

Und wie beurteilt ein Chemiker den Wert eines Baumes?

Platanen in Karben (Foto: Habusta)
Prägen vielerorts das Stadtbild: Platanen (Foto: Habusta)

Eine 30-jährige Platane nimmt durch Fotosynthese pro Jahr schätzungsweise 40 kg Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre auf.  Der Baum hat eine Lebenserwartung von etwa 70 Jahren. Er könnte noch 70 Jahre lang die gleiche Menge von 40 kg pro Jahr, also insgesamt 2.800 kg Kohlendioxid, speichern.
Werden im Stadtgebiet von Karben pro Jahr etwa 100 Bäume der Größe und Masse dieser Platane gefällt, dann wird damit gleichzeitig ein Speicherpotential von 280.000 kg Kohlenstoffdioxid vernichtet. Das sind 280 Tonnen Kohlenstoffdioxid oder 76 Tonnen reiner Kohlenstoff (vergleichsweis etwa 80 Tonnen Steinkohle). Aus dieser Menge Steinkohle hätte man in einem modernen Kohlekraftwerk  ca. 650 kWh oder etwa 0,65 Megawattstunden Strom erzeugen können. Das entspricht etwa der Jahresleistung einer mittelgroßen Windkraftanlage.
Es muss jedem verantwortungsvollen Menschen klar sein, dass bei der Fällung eines jeden  Baumes dieser Zusammenhang beachtet werden muss.
Und damit hat auch jeder Baum, der irgendwie im Wege steht und gefällt wird, seinen Wert.